8 - Zwischen Gallierfurcht und Triumphen über Gallier. Aspekte des römischen Gallierbildes [ID:178]
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Als Einstieg in mein Thema sollen zwei Szenarien ganz unterschiedlicher Herkunft stehen.

Wir schreiben das Jahr 50 v. Chr. Ganz Gallien ist von den Römern besetzt.

Ganz Gallien? Ein kleines Dorf in der Britannie trotz der römischen Militärmaschine.

Seine Bewohner ganz normale Durchschnittsmenschen, äußerlich eher Anti-Helden als geborene Krieger,

leisten den Römern nicht nur dauerhaft Widerstand.

Gestärkt durch einen Zaubertrank schlagen sie diese vielmehr bei jedem Zusammentreffen aufs Haupt und in die Flucht

und jagen ihnen damit einen unauslöschlichen gerade zu panischen Schrecken ein.

Sie kennen, denke ich, alle diese Grundkonstellation der französischen Comic-Serie Asterix und Obelix.

Vor einem Scheinhistorischen Hintergrund wird hier unter Verwendung und Zuspitzung gängiger Klischeevorstellungen

und mit Rückgriff auf in Jahrhunderten angesammeltes französisches Bildungswesen, eben auch über die Antike,

den normalen Franzosen, wie auch ihren europäischen Nachbarn, einen humoristisch und auch karikaturistisch verzerrender Spiegel vorgehalten.

Szenario 2. Man schreibt das Jahr 21 d. Chr.

Ganz Gallien ist seit sieben Jahrzehnten römisch beherrscht. Ganz Gallien?

Im Moselland und in Zentralgallien werden etwa gleichzeitig von einzelnen Mitgliedern der romanisierten Führungsschicht Aufstände angezettelt.

Sie finden selbst im jeweiligen Kernland nur geringen Widerhall und dies auch eher am Rande der Gesellschaft.

So können die römischen Verantwortlichen die nur notdürftig bewaffneten und militärisch unbeübten Aufständischen

in kürzester Zeit ohne große Mühe niederwerfen und müssen dazu nicht einmal die eigenen Elite-Truppen zum Einsatz bringen.

Der römische Historiker Tacitus stilisiert rund hundert Jahre später die jeweils wahrscheinlich persönlichen Motiven

der Anführer entsprungenen Revolten des Jahres 21 n. Chr. zu einem groß angelegten gallischen Aufstand.

Wenig konsequent kann er sich dann aber die ironische Bemerkung nicht verkneifen.

In Rom sei aus dieser eng begrenzten Rebellion, wie üblich, ein Abfall aller 64 gallischen Stammesgebiete

unter Beteiligung von Germanen und bei unsicherer Haltung sogar der spanischen Provinzen geworden.

Mit entsprechenden Angstreaktionen in der Bevölkerung.

Die Texte, denen die beiden Szenarien entnommen sind, weisen trotz zeitlichen Abstandes von mehr als 18 Jahrhunderten

zwei wesentliche Gemeinsamkeiten auf.

Sie nehmen zum einen ein Thema, Methus Galicus, die fast schon sprichwörtliche Furcht der Römer vor den Kelten wieder auf,

das seit dem dritten vor christlichen Jahrhundert vielfache Behandlung in der antiken Literatur

und in indirekter Form auch Eingang in die darstellende Kunst gefunden hat.

Dem Leser des Tacitus ist also das Motiv in unterschiedlichen Ausprägungen geläufig.

Zumindestens für den gebildeten Liebhaber von Asterix und Obelix gilt entsprechendes.

Gemeinsam ist in beiden Texten zum anderen der parodistische Umgang mit dem Thema,

der bei dem römischen Historiker allerdings nur im Ansatz vorliegt.

Während die Autoren der Comic-Serie das Paradoxon der immer wieder ausbrechenden Furcht,

der nach normalen Maßstäben doch haushoch überlegenen Bezwinger Galliens

vor den armselig ausgerüsteten Verteidigern eines eingekesselten kleinen Dorfes dadurch auflösen,

dass die Dorfbewohner den ihnen schlotternd gegenübertretenden Römern die Furcht

unter Wirkung ihres Zaubertranks bei jedem Zusammentreffen erneut einbläuen,

ist der Umgang des Tacitus mit entsprechenden Phänomenen in der realen,

oder ich möchte lieber sagen in der doch wenigstens nicht ganz fiktiven Welt, eher unentschieden.

Wie wir sehen werden, hat er darin zahlreiche Vorgänger. Ich komme zu Teil 1.

Begonnen hat für die Römer alles im Sommer 387 v. Chr.

Damals drangen keltische Scharen aus Oberitalien, insbesondere Senonen von der Adria-Küste bis nach Latium vor,

schlugen ein römisches Heer am Flüsschen Allia einige Meilen nördlich von Rom in die Flucht

und besetzten anschließend ungehindert das römische Stadtgebiet bis auf das Kapitol.

Nach Plünderung der Stadt und nach Erpressung eines Lösegeldes zogen die Gallier angeblich nach monatelanger Belagerung des Kapitols wieder ab.

Das erste Zusammentreffen zwischen einem römischen und einem keltischen Heer hatte also für Rom mit einer Katastrophe geendet.

Kein Wunder, wenn das Ereignis für lange Zeit seine Spuren im kollektiven Gedächtnis der Römer hinterlassen hat.

Der Tag der Alliaschlacht wurde hinfort als schwarzer Tag im Kalender herausgehoben.

Das durch die Katastrophe genährchte, gesteigerte Sicherheitsbedürfnis schlug sich im offenbar ersten geschlossenen Mauerring der Stadt nieder.

Zu einer vergleichbaren Gefährdung der Stadt durch Gallier sollte es dann nicht mehr kommen.

Teil einer Videoserie :

Presenters

Prof. Dr. Ralf Urban Prof. Dr. Ralf Urban

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:28:55 Min

Aufnahmedatum

2001-01-18

Hochgeladen am

2018-06-21 10:19:58

Sprache

de-DE

Nach Italien eingebrochene Kelten (Galli) stellten zu Beginn des 4. vorchristlichen Jahrhunderts den ersten ins Land einfallenden Gegner der Römer nicht-italienischer Herkunft dar. Die militärischen Auseinandersetzungen mit ihm zogen sich in mehreren Etappen über rund 200 Jahre hin und zeitigten nachhaltige Wirkung. Insbesondere die schwere Niederlage an der Allia und die ihr folgende Einnahme Roms (387) stellten noch für die folgenden Generationen traumatische Ereignisse dar. Entsprechendes gilt für die Zusammenarbeit von Kelten der Poebene mit Hannibal zu Beginn des 2. Punischen Krieges. Noch im späten Schrifttum wird deren Wirkung spürbar....

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